Fotos (v.l.n.r.):
1.
Georg Krause (Puntila), Annika Martens (Eva Puntila), André Wagner (Matti), Marc Phillip Kochendörfer (Der Attaché)
2.
Rebekka Suninen, Claudia Frost (Die Verlobten), Georg Krause (Puntila), Anna-Magdalena Beetz (Die Verlobten)
3.
Claudia Frost, Rebekka Suninen, Anna-Magdalena Beetz (Die Verlobten), Georg Krause (Puntila)
4.
Annika Martens (Eva Puntila), Marc Phillip Kochendörfer (Der Attaché), Hannes Fischer (Der Richter),
Georg Krause (Puntila)
5.
Georg Krause (Puntila), Hannes Fischer (Der Richter), André Wagner (Matti)
6.
Georg Krause (Puntila), André Wagner (Matti)
7.
André Wagner (Matti), Georg Krause (Puntila)

Fotos:
©Jochen Klenk
STATT KRITIK
„Herr Puntila und sein Knecht Matti“ lief lange und mit großem Publikumszuspruch am Badischen Staatstheater.
Wahrscheinlich war das eine sehr schöne Inszenierung. Ich kann das nur vermuten. Ich habe aus den Proben einige wunderschöne Szenen in Erinnerung.
Aber in den Endproben musste ich das Konzept klein beigeben. Es war ein Raumkonzept – das Publikum sollte sich am Stand des Landes Finnland auf einer Tourismusmesse wähnen; die Aufgabe der Darstellenden war die von Schaustellenden: eine möglichst einnehmende Präsentation von Land und Leuten zu bieten – so einnehmend das nach längerem Standbetrieb und bei durchgehender Zurschaustellung vor Publikum eben möglich ist.
Es war herrlich schrecklich. An allen dafür geschaffenen Ecken wartete ein leutseliger Kapitalismus siegessicher auf seine Gelegenheit. Es gab eine aufgebirkte Schankfläche, eine präsentativ tranchierte Sauna, viel landflüchtige Deko und kein Finnland-Klischee zu wenig, und dazwischen weilte das Publikum ebenso wie die auf ihren Einsatz wartenden frischeren oder abgehangeneren Hostessen und Schaustellfaktoten.
Leider befürchtete ein Darsteller, dass sich inmitten dieser Gleichzeitigkeit und Gleichräumlichkeit weder er noch das Publikum auf ihn würde konzentrieren können. Leider befürchtete das die Schauspieldirektion auch, und ordnete Zentralismus an. Die Regisseurin Bußmann reiste mit weinenden Fahnen ab und die Regieassistentin Bußmann übernahm den szenischen und räumlichen Umbau in einen Guckkastenabend. Dazu war sie in der Lage, weil sie das Stück und die Besetzung sehr gut kannte und das Konzept der Regisseurin so gut verstanden hatte, dass sie genau wusste, welche dafür grundlegenden Elemente sie entfernen musste. Und weil sie Bettina Weiler an ihrer Seite hatte, die um Menschenlängen über ihre Funktion als Produktionsdramaturgin hinauswuchs. Sie hielt auch die Regisseurin davon ab, die Aufhängung, die für Puntilas Himmelfahrt zum Stückende vorgesehen war, als Abreisemöglichkeit an sich selber einzusetzen.
Auf der Strecke blieben z.B. Hannes Fischers niederschmetternder Sitzfleischbeweis, Olaf Beckers Scheitern daran, das unverfrorene Geheische eines Arbeitsstrichers ohne einen Lachanfall zu absolvieren darüber, wie wahrheitsanspruchslos Marktgesetze Leben in Rechnung stellen, und, last but am teuersten, Thomas Schrimms gesamte bella figura, ihr ungerührtes Ewigkeitsversprechen und ihre allerzarteste Falsettversion der zotigsten Pflaumenmetaphern.
Am Rest war sehr, sehr, sehr viel Schönes dran. Unglaublich Schönes. Brilliante Teile keines Ganzen.
Ich habe mir diesen Abend nach der Generalprobe nie mehr angesehen. Die Rezension soll sehr gut gewesen sein – ich habe sie nicht gelesen. Wenn mir Zuschauer:innen ihre Begeisterung mitteilen wollten, bin ich geflüchtet. Für Kritik daran war ich offener – wenn sie sich aber auf das dem Abend Fehlende bezog, war meine absolute Zustimmung ganz und gar nicht schmerzfrei.
Ich verstand und verstehe den damaligen Eingriff der Schauspieldirektion und ich hielt und halte ihn für falsch. Aus meiner Sicht entspricht der Wunsch nach Zuschnitt, nach Zentralisierung dem Wunsch oder der Auffassung, dass nur stattfindet oder existiert, was in meinem Sichtfeld liegt und von mir wahrgenommen wird, und dass innehält oder sich auflöst, was von mir nicht wahrgenommen wird. Ich halte das für ebenso falsch wie eine Praxis künstlerischer oder sozialer Medien, diesen Wunsch oder diese Auffassung zu bedienen.