Kritik der unreinen Kritik
Das wird jetzt hier was Längeres. Aber ich habe für diese Homepage erstmalig Kritiken ausgewählt. Also nicht nur, welche Kritik ich hier einfüge, sondern auch, welche Passagen. Das ist alles noch so neu. Wenn ich mich daran gewöhnt habe, wird dieser Text hier auch wortkarger.
Kritik kann so schlecht (geschrieben oder beobachtet) sein wie der Theaterabend, den sie lobt oder verdammt. Kritik kann um Längen lesenswerter sein, als der beschriebene Abend sehenswert.
Kritik kann so ungerecht sein. Das hat sie mit dem Leben gemeinsam. Die Guten ins Kröpfchen, die Schlechten ins Töpfchen – kann vorkommen. Blinde Hühner bekommen Körner nachgeschmissen, das Letzte feiern die Hunde, Genie und Wahnsinn werden verkannt. Verkennend, verlorbeerend, verwechselnd, vorurteilend, verkappt, verzückt, vernichtend, verhohlen - alle Dramatik verfehlter Kommunikation vollzieht sich auch in der Kommunikation über Dramatik.
Ich glaube nicht, dass das so sein muss, aber ich glaube, zu wissen, warum das oft so ist: da trifft Anmaßung auf Anmaßung.
Die eigene Sicht einer Rolle, eines Stückes, einer Gesellschaft auf der Bühne zu veröffentlichen, erfordert Anmaßung. Die eigene Sicht auf die Darstellung einer Rolle, eines Stückes, einer Gesellschaft auf der Bühne in einer Rezension zu veröffentlichen, erfordert Anmaßung. Anmaßung lehnt sich aus dem Fenster, selten genug lehnen Kritik und Kritisierte ihre Nasen in die gleiche Windrichtung. Wenn es doch geschieht, sind Glück und Freude allenthalben immens. Es kommt danach auch viel mehr Publikum. Eine Glücksspirale! Ich hab`s erleben dürfen.
Ein gar nicht so geringer Anteil der Kritiken über Inszenierungen von oder mit mir sind Themaverfehlungen, im für mich Guten wie im für mich Schlechten. Manchmal wird das Thema des Stückes verfehlt, manchmal das der Inszenierung, manchmal das Thema der Kritik selber. Natürlich ist der Kompass, der verfehlt als verfehlt bestimmt, meiner. Schließlich ist das meine Homepage.
Ich habe mich bei der Auswahl hier veröffentlichter Kritiken nun mehrheitlich für diejenigen oder Passagen daraus entschieden, in denen meine Anmaßung und die der Kritik Händchen halten. Mir wurde von fast allen versichert, dass das fast alle so machen. Für mich war das bisher inakzeptabel, die Äußerungen anderer auf diese Art aus dem von ihnen gewählten Zusammenhang zu reißen. Bis mir – wirklich spät - auffiel, dass meine empörte Ablehnung davon dieselbe ist, mit der ich auf manche Rezensionen blicke.
Ich gestatte nun also mir und anderen Anmaßung, ich gestatte mir und anderen perspektivbedingt selektive Wahrnehmung und Wiedergabe.
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Aber schon auch schade:
Da gibt es eine Kritik, die vor allem den Beteiligten feiert, der so skrupellos seine Mitspielenden hat auflaufen lassen, dass die nichts zu lachen hatten und das Publikum wenig über sie und viel über ihn – in einer Screwballkommödie. Die Kritik ist recht schmeichelhaft. (Spoiler für hoffnungsvollere Gemüter: jemanden daran zu hindern, dass er oder sie andere(s) verhindert, ist leider nicht möglich.)
Da gibt es Hymnen, in denen sogar ich durch meine lobgetönte Brille weder meinen Wald noch meine Bäume wiedererkenne.
Da gibt es mehr als eine Kritik, die hocherfreut und detailliert beschreibt, was mir wichtig war und was ich mit der Fassung oder mit den Darstellenden ausarbeiten konnte, um dann Stück oder Darstellende frenetisch zu beglückwünschen, wie sie sich gegen meine destruktive Ahnungslosigkeit behaupten konnten. Diese Sorte gibt auch stilistisch am meisten her. Das muss man gelesen haben! Vielleicht ein andermal.
Aber abgesehen von diesen Stilblütentrieben hat die Phantomjagd nach dem „Regietheater“ nur Zerstörung angerichtet. Wahrscheinlich liegt gerade darin das Potential einer Chimäre. Regie und Stück, Regie und Ensemble können gegeneinander verlieren, schlimm genug und nicht unvermeidbar (s.o.) – aber gegeneinander gewinnen können sie nicht. Beim besten oder schlechtesten Willen nicht.
Manche Rezensionen, die mein Mitwirken unterschlagen oder auch sämtliches Mitwirken lebender Personen, stelle ich zur Verfügung mit ähnlich gemischten Gefühlen, wie sie ansonsten ein Thermomix, die Begriffe „Perle“, „Fee“ „dienstbarer Geist“, „wie von selbst“ oder altersunabhängig Pubertierende bei mir auslösen, wenn diese Rezensionen Hinweise darauf enthalten, was mein Mitwirken oder das anderer lebender Personen erzeugt hat.